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Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht immer möglich – OLG Frankfurt 12U 82/08

Die so genannte„Verweisung“ in der Berufsunfähigkeitsversicherung stellt oftmals ein Problem dar. Versicherer und Versicherter sind unterschiedlicher Auffassung darüber, ob nach Eintritt der Berufsunfähigkeit der Versicherte einen anderen Beruf ausüben muss. Auch in dem Fall des Gerichtsvollziehers, welchen das Oberlandesgericht Frankfurt (Az. 12 U 82/08) zu entscheiden hatte, ging es um die Verweisung in einen anderen Beruf.

Ein berufsunfähig gewordener Gerichtsvollzieher kann nicht auf eine Tätigkeit im mittleren Justizdienst (Registraturarbeiten im Innendienst) verwiesen werden, weil die soziale Wertschätzung das Einkommen (hier ca. 30 %) deutlich abfällt.

OLG Frankfurt/M., Hinweisbeschl. (§522 Abs. 2 Satz 2 ZOP) v. 07. 05. 2009, 12U 82/08

In dem Verfahren ging es um einen Gerichtsvollzieher, welcher nach Eintritt der Berufsunfähigkeit von dem Versicherer auf eine Tätigkeit im mittleren Justizdienst verwiesen werden sollte. Dieses wollte der Gerichtsvollzieher nicht hinnehmen, und ging klageweise dagegen vor. Das zuständige Gericht, das Oberlandesgericht Frankfurt, bestätigte die Auffassung des Gerichtsvollziehers. Das Einkommen eines Gerichtsvollziehers setzt sich zusammen aus Beamtenbezügen sowie seinen Nebeneinkünften und teilweise Aufwendungen für seinen Geschäftsbetrieb, welche teilweise privat zu versteuern sind. Wird der Gerichtsvollzieher dagegen in den Innendienst versetzt, so blieben ihm nur die Beamtenbezüge . Aufgrund der vorgelegten Einkommensdaten hatte der Kläger in den Jahren 2003-2005 zu versteuernde Einkünfte zwischen 56.617 € und 61.656 €. Nach Versetzung in den Innendienst hätte das dein neue Einkommen ca. 42.500 € brutto betragen. Eine weitere Einkommensquelle (wie die bisherigen Einkünfte neben der Beamtenversorgung) ist im Innendienst jedoch nicht möglich. Stellt man die Einkünfte gegenüber, so ergebe sich eine Einbuße von ca. 30 % pro Jahr und damit eine „wesentliche Minderung“ seine Einkünfte.

Im Wesentlichen schließt sich das Oberlandesgericht Frankfurt auch den Ausführungen des Oberlandesgerichts München (23 U 1566/00) an. Dieses hatte in einem ähnlich gelagerten Fall festgelegt, dass eine kürzere Arbeitszeit keinen ausreichenden Vorteil darstellen.

Folgt man diesen Urteilen, so bedeutet das in der Praxis:

Zum Einen ist eine Verweisung nur in sehr engen Grenzen möglich. Viele Versicherer verwenden in ihren Bedingungen für die Einkommensreduzierung mittlerweile verbindlicher Prozentsätze.

(…) In den beiden zuvor genannten Fällen ist es darüber hinaus nicht zumutbar, dass die Tätigkeit zu Lasten der Gesundheit geht oder dass das jährliche Bruttoeinkommen 20 % oder mehr unter dem Bruttoeinkommen im zuletzt ausgeübten Beruf vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung liegt. Sollte der Bundesgerichtshof einen geringeren Prozentsatz als nicht zumutbare Einkommensminderung festlegen, ist dieser auch für uns maßgeblich. Im begründeten Einzelfall kann aber auch bereits heute eine unter 20 % liegende Einkommensminderung unzumutbar in diesem Sinn sein. (Auszug BU Bedingungen der Alten Leipziger, Tarif BV10, Stand 2011)

Damit ist es dann relativ einfach festzustellen, wie hoch die Minderung ist und ob eine entsprechende Verweisung erfolgen kann. Die soziale Wertschätzung hingegen ist deutlich schwieriger festzulegen. Hier werden in vielen Fällen Gerichte zu bemühen sein, da die Auffassungen von Versicherer und versicherte in der Regel weit auseinandergehen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich bei der Minderung zwischenzeitlich auf einen Prozentsatz von ca. 20 % eingependelt. Bei einem Einkommensverlust der größer diesem Prozentsatz ist, wird regelmäßig von einer nicht zumutbaren Einkommensreduzierung gesprochen.

Sie sehen hier also sehr deutlich, wie an 10 % Unterschied zwischen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der hier vorliegenden Einkommensreduzierung die Zahlung einer BU Rente „hängen“ kann. Dabei ist es in der Berufsunfähigkeitsversicherung so wichtig wie in keiner anderen Sparte, dass die Versicherungsbedingungen so klar und deutlich als irgend möglich formuliert sind. Was nützt einem ein billiger Berufsunfähigkeitsschutz, der im Fall so viele Möglichkeiten hat um die Leistung zu verweigern, dass man erst im Fall merkt keinen Schutz zu haben.

Achten Sie deshalb bei Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung besonders auf die Auswahlkriterien, die richtige Berufsgruppeneinstufung und ein damit zusammenhängendes sauberes, klar formuliertes Bedingungswerk. Wenn Sie diese Kriterien beachten, haben sie zumindest aus heutiger Sicht alles das getan, was ihnen im Fall den Bezug der Berufsunfähigkeitsrente erleichtern wird.

Eine Garantie für eine Zahlung kann und wird es nicht geben, da die unterschiedlichen Leistungsfälle nicht ansatzweise vergleichbar sind. Jede Situation und jeder Leistungsfall sind individuell zu betrachten, die Risiken lassen sich jedoch durch die richtige Auswahl des richtigen Versicherers unterwegs so weit als möglich minimieren.

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