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Das LG Köln mit einem neuen Urteil zur Frage “noch arbeitsunfähig oder schon berufsunfähig”? Az. 23 O 98/09

In der Vergangenheit hatten sich bereits viele Gerichte mit der Frage zu beschäftigen. Ist der Versicherte noch arbeitsunfähig (Was bedeutet arbeitsunfähig?)oder vielleicht gar nicht mehr in der Lage, seinen Beruf jemals wieder auszuüben und somit berufsunfähig?  Was ist eigentlich berufsunfähig?

Auch das Landgericht Köln hatte sich unter dem Aktenzeichen 23 O 98/09 wieder mit so einem Fall zu beschäftigen.

Das besondere an diesem Thema ist: Der Übergang von Arbeitsunfähigkeit zur Berufsunfähigkeit ist fließend und nur sehr individuell zu betachten. Dabei ist eine pauschale Aussage genau so unmöglich, wie ein fester Prognosezeitraum. Es ist vielmehr von der Art der Erkrankung, dem (Allgemein-)zustand des Patienten und der weiteren beruflichen wie gesundheitlichen Umstände abhängig, ob und in wieweit eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

Warum ist es so wichtig, arbeitsunfähig statt berufsunfähig zu sein?

Ein Grund ist ganz einfach und finanzieller Natur. Meist besteht für den Fall der Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeldanspruch gegen den privaten Krankenversicherer (PKV) oder die gesetzliche Krankenkasse (GKV). Dabei ist es wichtig, sich genau mit der Höhe der Absicherung zu beschäftigen, denn als GKV Versicherter über der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) reicht der normale GKV Schutz kaum aus. Mit knapp über 80 EUR stoßen viele an die Grenzen des machbaren.

In der privaten Krankenversicherung sollte hoffentlich ein höheres Krankentagegeld versichert sein, hier ist auch der Beitrag zur PKV komplett weiter zu zahlen. (plus dem AG Anteil).

Die Absicherung durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist oftmals deutlich niedriger.  Daher haben allein aus diesem Grund die Versicherten ein Eigeninteresse, lieber weiter arbeits- statt berufsunfähig zu sein.

Wie hat denn das Landgericht hier entschieden?

Konkret ging es um einen Fall eines Anwaltes, welcher durch eine Herzerkrankung dringend auf eine Transplantation angewiesen war und somit nicht mehr arbeiten konnte. Dieser war nun arbeitsunfähig und bezog von seinem Krankentagegeldversicherer (aufgrund des Tarifs sollte es die DKV sein) ein Krankengeld. Da sich die Erkrankung sehr lange hin zieht,, bis zum Klagezeitpunkt war noch nicht einmal ein Spenderorgan in Sicht, handelt es sich hier um durchaus ansehnliche Streitwerte. Mit mehr als 83.000 EUR Krankengeld bringt das viele Versicherte durchaus an den Rand des finanziellen Ruins, denn ausgleichen aus privaten Mitteln ist meist nicht möglich.

Der private Krankenversicherer (DKV) kündigte den Krankentagegeldvertrag somit nach §14 der Krankentagegeldbedingungen (MB KT). Ähnlich wie in der heutigen Fassung der Bedingungen (MB KT 2009, dort im § 15 b) ist dort die Beendigung bei Berufsunfähigkeit geregelt. Grundsätzlich ist es auch logisch und verständlich, denn ich kann nicht berufsunfähig und arbeitsunfähig zugleich sein. In dem entsprechenden Paragraphen steht dem Versicherer mit ein Beedigungsrecht zu, wenn:

der Versicherungsnehmer nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist. Die Berufsunfähigkeit setztoraus, dass der Versicherungsnehmer auf nicht absehbare Zeit zumindest 50% erwerbsunfähig bleiben wird.

Das Landgericht stützt sich in seiner Entscheidung unter anderem auf die aktuelle Rechtsprechung des obersten Gerichtes, des Bundesgerichtshofes und führt in seiner Urteilsbegründung unter anderem aus:

Dabei ist zu sehen, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH VersR 2010, 1171) die Berufsunfähigkeit ein Zustand ist, dessen Fortbestand aus sachkundiger Sicht für nicht absehbare Zeit prognostiziert wird, der jedoch typischerweise auch nicht als endgültig oder unveränderlich beurteilt werden kann. Denn es lässt sich eine ins Gewicht fallende Besserung zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nicht selten weder zuverlässig voraussagen noch ausschließen. Die erforderliche Prognose kann daher nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nur auf den jeweiligen Einzelfall bezogen gestellt werden.

Das Gericht gab somit dem Kläger (und Versicherten) Recht und verurteilte die Deutsche Krankenversicherung (DKV) zur Zahlung der streitgegenständlichen 83.387,40 EUR. Sehr ausführlich und wie gefordert, auf den Einzelfall abgestimmt, betrachtet das Gericht die persönliche Situation, den bisherigen medizinischen Verlauf und die Wartezeit auf eine Transplantation. Da der Kläger schon eine lange Zeit auf der Warteliste stehe, sei wahrscheinlich mit einem Spenderorgan zu rechnen und dann ist eine (zumindest mehr als 50%ige) Wiederaufnahme der Tätigkeit durchaus möglich.

Das gesamte Urteil nebst Begründung und ausführlichen Entscheidungsgrundlagen können Sie im Downloadbereich nachlesen. Auch dieses ist kein Garant für eine Weiterzahlung des Krankengeldes in anderen Fällen, wie gesagt, es sind immer sehr individuelle Gründe und somit Einzelfalleintscheidungen.

Urteil: LG Köln zur Frage “arbeits- oder berufsunfähig”, Az. 23 O 98/09

Doch es gibt noch einen anderen Punkt zu beachten. In vielen Bedingungen zur Krankentagegeldversicherung findet sich eine andere Formulierung, die eine Beendigung des Krankengeldes nach sich ziehen kann. Diese ist in den Musterbedingungen zur Krankentagegeldversicherung (MB KT) nachzulesen und lautet:

(1) Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen

b) mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist. Besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, so endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit;

Einige Unternehmen, hier als Beispiel die Hanse Merkur Krankenversicherung (Tarifbedingungen TB/KT 2009) gehen noch einen Schritt weiter und ergänzen die Musterbedingungen um Aussagen wie:

zu § 15 (1) b MB/KT 2009:

Der Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente steht der Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen (§§ 11 und 15 Abs. 1 Buchst. b MB/KT 2009) gleich.

Hat der Kunde also nur eine kleine Berufsunfähigkeitsrente versichert (zum Beispiel 1000 EUR), aber dennoch einen Krankentagegeldvertrag mit 100 EUR Tagegeld, so wird er natürlich kein Interesse haben, berufsunfähig zu sein, denn ihm würden Monat für Monat 2.000 EUR fehlen. Ist der Berufsunfähigkeitsversicherer aber nun schnell, vielleicht auch kulant wegen der kleinen Rente, so bedeutet dieses das unfreiwillige Ende der Krankengeldzahlung, selbst wenn noch keine Berufsunfähigkeit im Sinne der Krankentagegeldversicherung eingetreten ist.

Einen solchen Krankentaggeldvertrag sollten Sie besser nicht unterschreiben. Damit geben Sie dem Versicherer die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung gleich mit an die Hand. Umgehen können Sie dieses durch eine sorgfältige Auswahl der Krankenversicherung und des Krankentagegeldes.

Weitere Artikel die weiterhelfen:

Krankentagegeld und Leistungsbezug

Berechnung des richtigen Krankengeldes und der richtigen Rentenhöhe bei Berufsunfähigkeit

Auswahlkriterien zur Krankenversicherung

Ein Kommentar

  1. Hallo Herr Hennig,
    mit großem Interesse habe ich den Artikel “Das LG Köln mit einem neuen Urteil zur Frage „noch arbeitsunfähig oder schon berufsunfähig“? Az. 23 O 98/09” gelesen.
    Ich bin bei der Central im Basistarif krankenversichert. Kann die Central im Basistarif, der ja die gesetzl. Vorgaben umsetzen soll, bei längerer Krankheit die Karte Ätsch Berufsunfähig ziehen oder ist die Central verpflichtet die 78 Wochenregelung wie bei der gesetzlichen einzuhalten?
    Vorab vielen Dank für die Info.
    Herzliche Grüße,
    Frank Seyfried

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