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Krankentagegeld – alles dürfen Versicherer nun auch nicht – BGH IV ZR 274/06

So ist das manchmal- da muss ein Versicherter erst beim Landgericht (Itzehoe, 3O 269/03) über das Oberlandesgericht (Schleswig, 16 U 65/05) bis zum Bundesgerichtshof (IV ZR 274/06) gehen, damit jemand erkennt was denn wie in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung (MB/KT) steht. Aber nun mal langsam…

Es war einmal, nein es wird kein Märchen, eine selbstständige Werbekauffrau. Diese schleppte jeden Tag unermüdlich zwei 25 kg schwere Musterkoffer und dazu noch eine 16 kg schwere Reisetasche zu den Kunden um denen die schöne, neue Kollektion von Werbemitteln vorzuführen und verdiente damit augenscheinlich ihren Lebensunterhalt.

Leider stürzte die gute Frau im Februar 2002 von einer Treppe und war seitdem mit einer Schulterverletzung arbeitsunfähig. Vorsorglich hatte sie aber neben ihrer Krankenversicherung, die die Behandlungskosten trug, auch eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen. Diese zahlt für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit (100% nach medizinischem Befund) ein vereinbartes Tagegeld. Die Patientin wurde somit von dem behandelnden Arzt krank geschrieben, ein Zustand der bis zum 30. 11. 2004 andauern sollte.

Das “Dumme” an der Sache war nun aber, das die Versicherung das anders sah und nicht so ohne weiteres zahlen wollte. Das Krankentagegeld belief sich mittlerweile nämlich auf einen Gesamtbetrag von 103.193,68 EUR welche die Kundin nicht bekam, da die Gesellschaft nicht zahlte und die beiden Instanzen des Land- und Oberlandesgerichts dieses auch so bestätigten.

Da die Kundin sich im Recht fühlt wählte diese den Weg zum Bundesgerichtshof, welcher am 20. Mai diesen Jahres eine (vorerst) positive Entscheidung für die Kundin wählte und die Revision an die Vorinstanz zur erneuten Überprüfung zurück gab.

Interessant ist dabei auch noch, das der betreffende Versicherer im Juli 2003, also nach etwa 16 Monaten nach dem Unfall einen Detektiv beauftragte um mal “zu schauen” ob die Kundin dann arbeitet. Nun, das tat sie leider, somit nutzte der Versicherer die Möglichkeit den Krankentagegeldschutz fristlos zu kündigen. Aber schauen wir uns die wichtigen Punkte der Entscheidung noch einmal im Detail an:

1.) Der BGH sieht es, anders als das Berufungsgericht, eben nicht so, das eine vollständige Arbeitsunfähigkeit nicht feststeht. Durch den medizinischen Befund war ein heben der Koffer in das Auto der Klägerin nicht möglich. Eine Ablehnung des Krankengeldes mit dem Hinweis die Kundin können sich ein anderes Auto besorgen und ggf. statt Koffern andere Möglichkeiten des Transportes nutzen sieht der Bundesgerichtshof nicht.

(…) Damit hat das Berufungsgericht von der Klägerin eine dem Wesen der Krankentagegeldversicherung fremde Umorganisation der Arbeitsabläufe verlangt.

Hier sind wohl in den ersten Instanzen die Berufsunfähigkeitsversicherung, welche eine Umorganisation durchaus kennt und auch zum Vertragsbestandteil machen kann und der Krankentagegeldversicherung vermischt worden.

(…) Diese Definition der Arbeitsunfähigkeit knüpft an die konkrete berufliche Tätigkeit der versicherten Person und nicht allgemein an ihre beruflichen Möglichkeiten an. Dementsprechend bemisst sich die Arbeitsunfähigkeit nach der bisherigen Art der Berufsausübung, selbst wenn der Versicherte noch andere Tätigkeiten ausüben kann. (Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. §1 MB/KT 94 Rdn. 6 m.w.N.)

Eine Verweisung in so genannte Vergleichsberufe oder gar andere Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt kommt daher nicht in Frage, so der Senat weiter. (Senatsurteile vom 9. Juli 1997 – IV ZR 253/96 – VersR 1997, 1133 unter II 2 b; vom 25. November 1992 – IV ZR 187/91 – VersR 1993, 297 unter II 1)

2.) Weiterhin führt der Senat aber nicht aus, wie es ausgesehen hätte wenn der Versicherer zum Beispiel die Neuanschaffung eines neuen Fahrzeuges mit niedriger Ladekante finanziert hätte.

Ob und inwieweit der Versicherte nach Treu und Glauben gehalten ist, über die medizinische Behandlung hinaus an der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit aktiv mitzuwirken, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls ist er nicht gezwungen, seine berufliche Tätigkeit durch Austausch oder Veränderung der bislang eingesetzten Arbeitsmittel neu zu organisieren. Für die Berufsunfähigkeitsversicherung hat der Senat bereits entschieden, dass sich der Versicherte eine nachträglich entstandene Umorganisationsmöglichkeit nicht zu seinem Nachteil anrechnen lassen muss, wenn er diese durch eine eigene Anstrengung geschaffen hat, zu der er dem Versicherer gegenüber weder aufgrund einer vertraglich vereinbarten Obliegenheit noch aufgrund seiner Schadensminderungspflicht verpflichtet war.

Somit steht hier fest, das in diesem Fall die Kundin zunächst zu Unrecht kein weiteres Krankengeld bezogen hat und die Entscheidung zur weiteren Neubewertung an das Berufungsgericht zurück gegeben wurde.

Aber noch ein anderer Punkt ist nicht ganz unwichtig in dieser Entscheidung. Wie bereits in der Vergangenheit vom Senat entschieden (LINK) ist es zumindest fragwürdig wenn ein Versicherer einen Detektiv beauftragt der sich dann als Kunde ausgibt und hierbei zu einem Verkaufs-/ Beratungsgespräch veranlasst. Dieses war auch hier der Fall. Demnach habe es hier drei Gespräche gegeben, so die Entscheidung weiter. Berücksichtigt wurde bei dem Berufungsgericht auch nicht, so der BGH weiter, das die Kundin zu dem Zeitpunkt der Gespräche mit dem vermeintlichen Kunden bereits keine Leistungen mehr bezog und “von irgendwas” den Lebensunterhalt bestreiten musste. Spannend dazu folgende Passage aus den Entscheidungsgründen:

Auch wenn der Versicherungsnehmer seinen Anspruch für berechtigt hält, kann der Versicherer von ihm nicht erwarten, dass er sich bis zum Abschluss eines – im Ausgang ungewissen – Rechtsstreits jeglicher Ausübung seiner Berufstätigkeit enthält. Hinzu kommt, dass die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragsverletzung für einen Versicherer regelmäßig nicht eintreten, wenn Versicherungsleistungen – wie auch hier – nicht erbracht wurden (Senatsurteil vom 18. Juli 2007 aaO Tz. 34).

Doch nun die große Frage- wie kann ich solchen “Stress” verhindern?

1.) Denken Sie zunächst und entscheidend daran, das Sie keinerlei Berufstätigkeit nachgehen dürfen, wenn Sie Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung beanspruchen (wollen). Maßgebend sind 100% Arbeitsunfähigkeit.

2.) Versuchen Sie möglichst bei Abschluss des Vertrages oder im Nachhinein falls noch möglich den Übergang zwischen Krankenversicherung und Berufsunfähigkeitsabsicherung zu lösen. Mehr dazu finden Sie hier.

3.) Definieren Sie soweit als möglich die beruflichen Tätigkeiten und achten Sie auch darauf die Summen regelmäßig anzupassen.

Weiterführende Infos:

Das Urteil im Volltext finden Sie hier als pdf. (Direktlink zum Urteil)

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