Home: online-pkv.de » PKV BU Blog » Berufsunfähigkeitsversicherung » Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit bei einem Auszubildenden, BGH Urteil IV ZR 269/08

Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit bei einem Auszubildenden, BGH Urteil IV ZR 269/08

Auch in diesem Jahr hat sich die Richterin Frau Dr. Sibylle Kessel-Wulf in Ihrem Aufsatz mit den Themen Private Krankenversicherung, Krankentagegeldversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung beschäftigt. Bereits vor einiger Zeit hat einer ihrer Aufsätze für ein Umdenken bei den Versicherern geführt. Damals hatte die Richterin zum Thema Lasik und der medizinischen Notwendigkeit Stellung genommen. Alle danach angesprochenen Versicherer haben die Kosten der Lasik (auch nachträglich) übernommen. Zum Nachlesen: Lasik und die medizinische Notwendigkeit in der Privaten Krankenversicherung (PKV)

In diesem Jahr geht es unter anderem um das Thema Auszubildende in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Immer noch gibt es einige Unternehmen, die bei Auszubildenden im Leistungsfall auf eine Erwerbsunfähigkeit abstellen. Dabei wird dann nicht der konkrete Beruf geprüft, sondern irgendeine Erwerbstätigkeit. Das führt natürlich zu einer deutlichen Verschlechterung, da der Versicherer auf eine ganze Reihe anderer Berufe und Ausbildungen verweisen kann. Es ist bekanntlich viel “schwerer” so beeinträchtigt zu sein, dass man gar nicht mehr arbeiten kann, also zum Beispiel als Maurer. Dieser kann ggf. nach einer neuen Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf durchaus tätig sein.

Einen solchen Fall behandelt Frau Kessal-Wulf in ihrem Aufsatz. Der Kläger war hier als Auszubildender im Maurerberuf tätig. Nach einem Unfall und einer Lähmung des rechten Arms brach dieser seine Maurerlehre ab. Nachdem die Berufsunfähigkeitsversicherung im Februar 2002 anerkannte, begann der Versicherte 2003 eine neue Ausbildung. Hierbei war der Zielberuf Versicherungskaufmann. Daraufhin erklärte sich die Versicherung “großzügigerweise” bereit, die Rente noch bis zum Ende der Ausbildung weiter zu zahlen und lies den Kläger eine Vereinbarung unterschreiben. Hierbei wurde klargestellt, dass Leistungen nach dem Ausbildungsende nicht mehr erbracht werden. Dieses unterschrieb der Versicherte auch, mangels anderer Kenntnisse und sicher auch, weil ihm die rechtlichen Umstände nicht klar war.

Das das Ganze so aber nicht geht, begründet der Senat wie folgt:

Bereits bei Anerkenntnis der Leistung im Februar 2001 hätte die Versicherung prüfen können, ob eine Verweisbarkeit vorliegt und diese ggf. aussprechen können. Dieses war aber nicht geschehen, der Versicherer hatte ein so genanntes unbefristetes Leistungsanerkenntnis ausgesprochen.

Mit seinem Leistungsanerkenntnis entscheidet der Versicherer nicht nur über den Grad der Berufsunfähigkeit, sondern zeitgleich auch über fehlende Verwendungsmöglichkeit. Deshalb muss davon ausgegangen werden, das eine Verweisungsmöglichkeit nicht besteht, wenn seine Entscheidung hierzu schweigt. Bereits bestehende, aber nicht wahrgenommene Verweisungsmöglichkeiten verliert der Versicherer auch für die Zukunft.

Der Versicherer kann somit eine “vergessene” Verweisung nicht einfach so nachholen. Auch das Argument, es gäbe erst “sich später herauskristallisierende” Erkenntnisse lies der Senat- anders als das Berufungsgericht damals- nicht gelten. Eine bestehende Nachprüfungsmöglichkeit macht nach Senatsauffassung nur dann Sinn, wenn der Versicherer “nicht befugt ist, den Grad der Berufsunfähigkeit des Versicherten und etwaige Verweisungsmöglichkeiten jederzeit ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und/ oder seiner Kenntnisse hiervon abweichend von seiner früheren Anerkenntnisentscheidung zu bewerten”

Der Versicherer hätte jedoch durchaus bei Leistungsprüfung seinerzeit eine solche Verweisung prüfen können. Nach den Voraussetzungen aus §2 B-BUZ hätte damals durchaus verwiesen werden können. Ein “nach seiner Ausbildung und Erfahrung” und der “Lebensstellung entsprechenden” Ausbildungsberuf stellt der Versicherungskaufmann im Vergleich zum Maurer sicher dar. Die Auffassung des damaligen Berufungsgerichtes, “weil der Versicherer in Ausbildungsfällennicht alle denkbaren Ausbildungsmöglichkeiten zu prüfen habe” folgte der BGH nicht.

Durch das unbefristete Leistungsanerkenntnis im Jahre 2002 habe der Versicherer eine “Selbstbindung” geschaffen. Interessant in diesem Zusammenhang ist jedoch auch die bereits angesprochene Vereinbarung, welche der Kunde ja unterschrieben hatte. Diese besagte doch eindeutig, das eine Rente nach dem Ende der Ausbildung nicht mehr gezahlt wird. Doch auch hier sieht der BGH eine Benachteiligung des Kunden.

Wegen der speziellen Ausgestaltung der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Versicherer in besonderer Weise gehalten, seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versicherten auszunutzen. Ein starkes Indiz für einen Verstoß gegen Treu und Glauben ist regelmäßig anzunehmen, wenn die nach dem Vertrag bestehende Rechtslage durch Vereinbarung zum Nachteil des Versicherungsnehmers geändert und seine Rechtsposition dadurch ins Gewicht fallend verschlechtert wird.

Dieses sah der Bundesgerichtshof hier durchaus, denn schließlich wurden in der Vereinbarung Nachteile nicht aufgezeigt, der Kunde nicht weiter aufgeklärt und belehrt. Der Versicherer hat seine überlegene Position durch das Versprechen einer Kulanzzahlung und der damit verbundenen Einstellung nach Ausbildungsende ausgenutzt. Dieses gilt besonders dann, wenn klar war ,dass der Versicherer sonst hätte weiter leisten müssen. Nur im Falle “unklarer Sach- und Rechtslagen” sind ggf. solche Vereinbarungen möglich. Auch dann erfordern diese aber unmissverständliche und klare Aussagen über die Rechtsposition des Versicherten. Ein Berufen auf die geschlossene Vereinbarung “verbot” der BGH dem Versicherer hier.

So ist es insbesondere unzutreffend, dass der Versicherer bei einer während einer Ausbildung eingetretenen Berufsunfähigkeit nur für die verloren gegangene Zeit der bisherigen Ausbildung leistungspflichtig wäre; auch wäre seine Leistungsgpflicht nicht auf die Zeit einer neuen Ausbildung begrenzt.

Auch mit diesem Aufsatz/ Senatsurteil stärkt der Bundesgerichtshof die Rechte der Versicherten und verpflichtet den Versicherer nicht nur zu klarer und deutlicher Aufklärung bei, für den Kunden nachteiligen, Vereinbarungen, sondern schreibt auch klar vor: Was bei der ersten Leistungsprüfung vergessen wurde, kann nicht einfach unkompliziert nachgeholt werden.

Weitere Informationen zur Berufsunfähigkeit:

Leitfaden zur Berufsunfähigkeit

Urteile und Blogbeiträge zur BU

Auswahlkriterien und Kriterienfragebogen zur Berufsunfähigkeit

Alte Leipziger verbessert Berufsunfähigkeitsschutz für Schüler, Studenten, Hausfrauen- und Männer ab 2012

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent mit Real Cookie Banner